Interview mit Richard Fath
- Marco Leichsenring
Fast ein Jahr gab es kein aktuelles Interview auf joomla.de. Nun kommt mal wieder ein Vertreter der Interviewreihe „Zeig mir Deine Joomla! Geschichte“.
Das zweite Gespräch der 5. Staffel von ...
... „ZMDJ!G“ führte ich mit einem Datenbankliebhaber, der Mitglied in drei Musikbands war und jetzt Joomla 5.4 auf den richtigen Weg bringen wird.
Herzlichen Dank an Richard Fath für seine Zeit und seine Infos über seinen ersten Kontakt mit Joomla, seine berufliche Laufbahn und seine Supporthilfe in der Joomla-Community.
Viel Spaß beim Lesen des Interviews!
Richard, stell Dich doch bitte kurz einmal vor?
Ich bin Jahrgang 1967, alleinstehend, keine Kinder, und wohne schon immer am gleichen Fleck in Hirschberg an der Bergstraße, das ist in der Nähe von Heidelberg.
Nach einer kleinen Odyssee über den zweiten Bildungsweg bin ich 1998 nach dem Elektrotechnik-Studium in der Netzleittechnik-Branche gelandet und habe da 17 Jahre lang als Softwareentwickler energiewirtschaftliche Applikationen für Energietransport- und Verteilnetze entwickelt und gepflegt, z. B. für Last- und Verbrauchsprognosen von Strom, Gas oder Fernwärme, Bezugsmanagement von Stadtwerken, Leistungs-Frequenz-Regelung in Stromübertragungsnetzen oder der Abregelung von Windparks.
Vor etwa 10 Jahren habe ich dann die Firma gewechselt, gleiche Branche, jetzt aber nicht mehr als Softwareentwickler, sondern an der Kundenhotline im Remote-Support.
Netzleittechnik hat auch viel mit Netzwerkprotokollen, Client-Server-Architekturen und SQL-Datenbanken zu tun, das ist natürlich auch sehr nützlich, wenn man sich näher mit den Innereien von Joomla! beschäftigt, und die Materie setzt Gewissenhaftigkeit beim Arbeiten und solide Kenntnisse in „Computerkram“ und IT-Sicherheit voraus, was bei meinen Aktivitäten für Joomla auch hilft.
Du bist einer der „alten Hasen“ unter uns, wie bist Du das erste Mal auf Joomla aufmerksam geworden?
Das müsste im Jahr 2011 gewesen sein.
Ich wollte mit alten Freunden alte Tonaufnahmen von unserer früheren Punk-Band und vielleicht auch andere Erinnerungen teilen. Aber zu der Zeit war es nahezu unmöglich, irgendwo im Web MP3-Dateien hochzuladen und zu publizieren. Ob es der Webspace meines Internetproviders war oder YouTube oder was auch immer, es kamen Hinweise, dass der Dateityp wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen nicht unterstützt wird.
Deshalb habe ich beschlossen, selbst eine Homepage zu bauen, zunächst mit dem Homepage-Baukasten auf dem Webspace meines Internetproviders, aber das hat mir nicht wirklich gefallen und war auch technisch sehr eingeschränkt, z. B. kein SSL und keine .htaccess-Datei.
Auf Grund meiner berufsbedingten technologischen Neugier dachte ich mir dann, ich mache mich mal schlau, wie professionelle Websites gemacht werden, schließlich könnte es ja sein, dass ich irgendwann mal Lust bekomme, zum Blogger zu werden, das war zu der Zeit unglaublich „in“.
Damals gab es in der Computerzeitschrift ct‘ eine Serie über verschiedene CMS, da wurden auch Drupal und Joomla! vorgestellt, also habe ich in beide mal reingeschnuppert. Am Ende hat mir Joomla! dann besser gefallen, also habe ich damit dann meine Website gebaut.
Es gab zwar schon Joomla 1.6 und 1.7, und 2.5 war auch schon in Aussicht, aber wegen einiger Drittherstellererweiterungen, die ich ausprobieren wollte, habe ich mit Joomla! 1.5 angefangen.
Was ist das Besondere an Joomla für Dich?
Das es wirklich FOSS ist, Free Open Source Software, und dass es von einer Community, einer Gemeinschaft aus Freiwilligen gemacht wird. Mittlerweile ist man im Internet ja gewohnt, diese und jene Software kostenlos zu verwenden, Suchmaschine, soziales Netzwerk, was auch immer, und vieles davon ist vielleicht sogar Open Source. Aber ist die Nutzung dieser Software wirklich free, also kostenlos, oder bezahlen wir nicht indirekt damit, dass wir den Anbietern erlauben, unsere Daten zu sammeln und z. B. für zielgerichtete Werbung zu verwenden?
Sicher, die Daten werden anonymisiert. Aber sie gehen in Algorithmen ein, die auch dafür sorgen, dass wir uns zunehmend in einer Blase von Gleichgesinnten bewegen und nur noch das angeboten bekommen, was wir vermeintlich hören oder sehen oder finden wollen. Die gesellschaftspolitische Sprengkraft dieser Algorithmen ist noch nicht wirklich umfassend erforscht, aber erste Ergebnisse geben allen Anlass zur Besorgnis.
"Joomla! ist wirklich free, kostenlos!"
Es gibt keine kommerzielle Organisation dahinter, die damit, dass ich Joomla nutze, in irgendeiner Form Geld verdienen will.
Und es ist Community und damit demokratisch im besten Sinne. Wenn ich etwas an Joomla besser machen will oder einen Bug finde, dann kann ich selbst dazu beitragen, den Bugfix oder die Verbesserung voran zu bringen. Ich kann also auch als Dankeschön dafür, dass ich ein großartiges Produkt völlig kostenlos für meine Zwecke nutzen darf, meine Fähigkeiten einbringen, um dieses Produkt nicht nur am Leben zu erhalten, sondern hoffentlich auch weiter zu verbessern und vielleicht auch wieder populärer zu machen. Das war auch der Grund, warum ich mehr und mehr auf GitHub für Joomla aktiv geworden bin. Mein erster Pull Request war 2014 mit einer kleinen Code-Änderung, es wurde dann zunehmend mehr, und ich habe dann auch gelegentlich mal bei größeren Projekten wie z. B. der UTF8MB4-Konvertierung oder der Einführung von NULL-Werten für Zeitstempel in der Datenbank mitgewirkt.
Dazu muss man kein Softwareentwickler sein. Man kann sich in Joomla mit den verschiedensten Talenten nützlich machen.
Joomla steht und fällt mit der Community, das ist das Besondere, finde ich.
Wie und wo setzt Du Joomla ein?
Produktiv eigentlich nur für meine kleine, relativ statische Website www.richard-fath.de, für die ein CMS eigentlich Overkill ist, deren Pflege mir aber ein Hobby geworden ist, und natürlich bei meinen Aktivitäten als Contributor, Maintainer, SST-Mitglied und neuerdings auch Release Manager für 5.4 beim ausgiebigen Testen von Pull Requests oder bevorstehenden Releases. Von daher kenne ich auch Funktionen, die ich auf meiner kleinen Website nicht einsetze.
Bist Du in einer JUG organisiert. Wenn ja welche und wie kam das?
Nein, ich bin in keiner JUG. Es gibt keine in der Nähe von Heidelberg. Ab und zu schaue ich mal bei der JUG Online herein oder bei der JUG London, die sich auch online trifft.
Der Joomla-Code liegt Dir am Herzen. Ich weiß dass Du in unserer Community auf Mattermost sehr hilfreich bist, wenn es da Probleme gibt. Nun bist Du auch Release-Manager für J! 5.4 geworden.
Was ist da für diese neue Joomla-Version deine Aufgabe?
Es gibt in der Regel zwei Release Manager für jede Minor Version.
Für 5.4 sind das Heiko Lübbe und ich.
Wir pflegen den Branch für diese Version auf GitHub, also den Quellcode für 5.4, mergen Pull Requests, entscheiden wenn nötig über Features und erstellen die Releases, wenn es denn soweit ist. Da die 5.4 die letzte 5-er Version vor der 6.0 ist und zusammen mit der 6.0 freigegeben wird, spielt die 5.4 als Brückenversion zur 6 die gleiche Rolle wie die 3.10 als Brückenversion zur 4 oder die 4.4 als Brückenversion zur 5, d. h. sie werden 1 Jahr länger mit Sicherheits-Updates versorgt, und der Schwerpunkt liegt darin, ein möglichst reibungsloses Upgrade auf die nächste Major-Version, also in unserem Falle die 6 zu gewährleisten. Deshalb haben Heiko und ich uns für den Code-Namen „Kutegemea“ entschieden, das ist wie bei Joomla üblich Swahili (Suaheli, Kisuaheli) und steht für Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit.
Dabei kommt mir meine Erfahrung bei der Code-Maintenance zugute, also z. B. beim Auflösen von Mergekonflikten und dem Umgang mit Werkzeugen wie Git und GitHub.
Vermutlich deshalb und weil ich mich gut mit der Joomla-Update-Komponente auskenne und allem, was mit Core-Updates zusammenhängt, wurde ich dann auch gefragt, ob ich Release Manager für die 5.4 sein will.
Nachfrage: Auch bei Facebook supportest Du, welche verrückten Geschichten oder Fragen musst Du da beantworten?
Müssen tu‘ ich da glücklicherweise gar nichts, aber ich schaue immer wieder mal, was so kommt, und wenn ich helfen kann oder etwas klarstellen kann, dann poste ich eben, z. B. wenn es Missverständnisse gibt, von welcher Version über welche Version man auf Version „X“ updaten kann.
Wirklich verrückte Sachen sind mir da noch nicht begegnet, außer vielleicht dass häufig Drittherstellererweiterungen als Problemlösung empfohlen werden, wo es keine bräuchte. Möglicherweise sind einige Anwender von WordPress gewohnt, dass man für alles Mögliche ein Plugin braucht.
Meines Wissens bist Du ein Spezialist für die Datenbanken in Joomla. Welche besonderen Erfahrungen hast Du da gesammelt?
Der Klassiker: Man macht kein Backup vor dem Update von 3.10 auf 4 dann geht das Update schon vor dem Einspielen der Datenbankänderungen schief, z. B. wegen einem inkompatiblen Dritthersteller-System-Plugin, man hat also die 4-er Software mit der 3-er Datenbank, da geht dann gar nix mehr, und mangels Backups wird das dann irgendwie versucht zu „reparieren“.
Selbst wenn man dann die Seite irgendwie zum Laufen bekommt, hat man unter Umständen noch veraltete Sachen in der Datenbank, über die man dann erst wieder später irgendwann mal bei weiteren Updates stolpert.
Wenn man nicht ganz genau weiß, was man tut, sollte man das besser lassen.
"Nichts ersetzt ein funktionierendes Backup." Beim Wiederherstellen von Backups machen dann viele den Fehler, die Datenbank und das Dateisystem (Joomla-Verzeichnis) vorher nicht leer zu machen, so dass man dann einen Mischmasch aus Dateien und Datenbankinhalten von zum Beispiel Joomla 3 und 4 hat, was dann beim nächste Updateversuch wieder für Fehler sorgt.
Was auch viele nicht wissen:
Der Datenbank-Check und -Fix im Backend behebt nicht sämtliche Datenbankprobleme, die auftreten können, wenn ein Update wie beschrieben vor oder mitten im Datenbank-Update fehlgeschlagen ist.
Der Checker kann nur Strukturfehler prüfen und beheben, also den DDL-Teil von SQL (Data Definition Language, z.B. CREATE TABLE oder ALTER TABLE), nicht aber Dateninhalte (DML, Data Manipulation Language, also INSERT, UPDATE oder DELETE), weil es für letzteres keine eindeutigen Prüfkriterien gibt. Außerdem kann er das nur für die Sachen prüfen, die in den Update-SQL-Skripten drin sind. Wird also eine Tabelle nie bei einem Update angefasst, dann prüft der Checker das nicht. Die technischen Gründe für all das zu erläutern würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Aber lange Rede, kurzer Sinn: Den Datenbank-Checker als Allheilmittel nach fehlgeschlagenen größeren Updates zu empfehlen ist nicht wirklich gut. Bei fehlgeschlagenen kleineren Updates kann er aber durchaus das nötigste beheben.
Joomla 6 ist nicht mehr so weit entfernt. Was erwartest Du von Joomla 6 oder auf was freust Du dich?
Ich erwarte von Joomla 6, dass das Upgrade von 5.4 so reibungslos läuft wie das von 4.4 auf 5. Auf was ich mich freue verrate ich erst mal nicht, ich möchte nicht der Öffentlichkeitsarbeit im Community-Magazin vorgreifen. Lasst Euch überraschen.
Welche Veranstaltungen oder Community-Treffen hast Du schon besucht? Gibt’s eine besondere Geschichte von so einem Event?
Bis 2019 war ich nur auf GitHub und gelegentlich im Support-Forum aktiv. In 2019 wurde ich dann von JandBeyond als Dankeschön für eine nächtliche Notfallaktion nach der Freigabe der Version 3.9.9, die einen Bug hatte, zum JoomlaDay D-A-CH nach Gießen eingeladen, d. h. das Ticket wurde mir geschenkt, und ich musste nur für Anreise und Unterkunft aufkommen.
Das war dann schon toll, einmal die anderen alten „Häsinnen und Hasen“ zu sehen und auch mal zu sehen, wozu das ganze gut ist, was man auch in GitHub so getrieben hat.
Ganz besonders hat mich damals gefreut, George Wilson zu sehen, den damaligen Joomla! 4 Release Manager, der aus London angereist war, und mit ihm mal kurz in einer Pause in einer affenartigen Geschwindigkeit durch den Code zu gehen und die Umstellung von DateTimes in der Datenbank für NULL-Werte zu planen.
Danach kam dann die Corona-Pandemie, 2020 fiel glaube ich aus, und 2021 habe ich dann am JoomlaDay Online als Zuschauer teilgenommen, diesmal mit selbst gekauftem Ticket. 2022 war ich dann in auf dem JoomlaDay in Bad Hersfeld, auch wieder nur als Teilnehmer, nicht als Sprecher. War wieder mal schön, die Leute wieder zu sehen und auch mit Anwendern und Erweiterungsentwicklern ins Gespräch zu kommen, mit denen man sonst auf GitHub wenig Kontakt hat. 2023 und 2024 hat es mir dann zeitlich nicht so gut gepasst, deshalb war ich nicht da. Aber vielleicht ergibt es sich ja dieses Jahr, dass ich mal wieder teilnehme. Ansonsten war ich zweimal beim JoomlaDay USA Online als Teilnehmer dabei.
Hast Du außer mit Joomla auch mit anderen CMS Erfahrungen gesammelt? (Wenn ja, welche sind das?)
Nein, nicht wirklich, außer dass ich vor langer Zeit mal wie oben beschrieben kurz in Drupal reingeschnuppert habe.
Vor einigen Jahren hast Du noch in einer oder sogar mehreren Bands gespielt? Kannst Du uns aus dieser Zeit etwas erzählen, dass wir Deinen Musikgeschmack etwas kennenlernen?
Naja, es war nie mehr als eine Band gleichzeitig, in der Beziehung war ich immer monogam. Mit Musik kam ich schon früh in Berührung. Mein Vater war in einem Gesangsverein, also kam ich als kleiner Bub in den Kinderchor. Mit 8 Jahren habe ich dann angefangen Gitarre zu spielen.
Mein Musikgeschmack wurde von meinen älteren Schwestern beeinflusst, deshalb war er abseits dessen, was in meiner Generation so „in“ war.
Es fing an mit den Beatles, aber schon bald hat mich interessiert, wo diese Musik eigentlich ihre Wurzeln hat, und so kam ich schon mit ca. 12 oder 13 Jahren zum Blues und Blues Rock. Das Erweckungserlebnis hatte ich dann, als ich zum ersten Mal eine Platte von Jimi Hendrix gehört hatte, Hendrix in the West, mit einer unglaublichen Live-Version von Voodoo Chile (slight return). Das war so unglaublich anders als das, was ich in meiner klassischen Musikausbildung gelernt hatte. Ich glaube, die Intensität dieser Erfahrung können nur Gitarristen nachvollziehen. Ich habe außerdem auch einige Jahre Trompete im evangelischen Posaunenchor gespielt und kenne eine ähnliche Intensität in der Musik nur von Johann Sebastian Bach. Im Wesentlichen ist das auch mein Geschmack geblieben, Blues, Blues-Rock, Jazz-Rock, so Zeugs aus den 60er und 70er Jahren, aber in den 1980ern war Punk-Rock in Deutschland noch ziemlich in, die Toten Hosen spielten damals noch echten Punkt-Rock und wurden langsam überregional bekannt, und aus einer spontanen Laune heraus haben wir dann eine Punk-Band gegründet, die in der Gegend auch ziemlich bekannt wurde und aus der mehr hätte werden können.
Aber wie das Leben so spielt, die Leute gehen studieren und ziehen dann weg in diesem Alter, und so hat sich diese Band dann irgendwann aufgelöst. Danach kehrte ich zu meinen musikalischen Wurzeln zurück und hatte lange eine Band, aber nur als Hobby, wir wollten das nie beruflich machen. Das war dann auch das Problem. Man findet nur schwer Mitmusikanten mit einem gewissen Niveau, die das nicht zumindest halbberuflich machen wollen, und so war der eine oder andere nicht zufrieden damit, nur Musik für uns selbst zu machen und die Band ist dann auseinander gegangen. Seither habe ich keine Band mehr und ich vermisse auch nicht wirklich das Herumschleppen schwerer Röhrenverstärker.
Man kann Fotos und Ton- und Video-Aufnahmen dieser verschiedenen Phasen auf meiner Website unter dem Menüpunkt „Musik“ finden. Das war wie bereits erwähnt dann auch der Grund, warum ich bei Joomla! gelandet bin.
Richard, Vielen Dank für Deine Zeit und deine Antworten. Es hat mir viel Spaß gemacht! Alles Gute!
Link: www.richard-fath.de